Personifikationen

herze, sin, muot und gedanke

Innere Instanzen

Burkhard von Hohenfels: Mîn herze hât mînen sin (Lied IX)
Str. 1

Mîn herze hât mînen sin
wilt ze jagen ûz gesant.
der vert nâch mit mînem muote.
vil gedanke vert vor in.
den ist daz vil wol bekant,
daz daz wilt stêt in der huote
bî der, der ich dienstes bin bereit.
ir sin ir muot ir gedenken
kan vor in mit künste wenken:
wol bedorfte ich fuhses kündekeit.

Übersetzung
Str. 1

Mein Herz hat meinen Verstand
ausgesandt, um ein Wild zu jagen.
Dieser jagt mit meinem Willen hinterher.
Viele Gedanken eilen ihnen voraus,
denen ist es sehr wohl bekannt,
dass das Wild in der Obhut von derjenigen steht,
der ich bereit bin zu dienen.
Ihr Verstand, ihr Willen, ihre Gedanken
können vor ihnen kunstvoll ausweichen:
Ich bräuchte wohl die Schlauheit eines Fuchses.

Burkhard von Hohenfels: Mîn herze hât mînen sin (Lied IX)
Str. 2

Wie wirt mir daz stolze wilt?
daz ist snel, wîs unde starc.
snel gedenken vert vor winde,
wîser sin bî menschen spilt,
sterke in leuwen sich ie barc:
der gelîch ir muot ich vinde.
ir snelheit mir wenket hôhe enbor,
ir wîsheit mich überwindet,
mit ir sterke sî mich bindet.

Übersetzung
Str. 2

Wie bekomme ich das stolze Wild?
Es ist schnell, klug und stark.
Die schnellen Gedanken überholen selbst Windhunde.
Kluger Verstand spielt beim Menschen,
Stärke verbarg sich schon immer in Löwen:
Von gleicher Art finde ich ihr Gemüt vor.
Ihre Schnelligkeit winkt mir aus der Höhe zu,
ihre Weisheit überwindet mich,
mit ihrer Stärke fesselt sie mich.

Herzmannsheil!

Auf zur Jagd: Das Herz des Ichs entsendet den personifizierten Gedanken, Willen und das Gemüt, um ein Wild zu jagen.

Vorneweg eilen Gedanken (gedanke), während Wille (muot) und Verstand (sin) im Jagdensemble folgen. Diese inneren Instanzen, also Prozesse, die im Inneren des Menschen vor sich gehen, sind zwar als Jäger definiert, bleiben jedoch eher schwer vorstellbar: Es wird nicht beschrieben, wie Gedanken, Wille oder Verstand aussehen oder ob sie etwas anderes als die Jagdhandlung ausführen können. Die Personifikationen jagen ein Wild, das, wie sich später herausstellt, die Minnedame selbst ist. Dieses Wild, also die Dame, ist den Personifikationen des Ichs dabei in allen Belangen überlegen: Ihre Schnelligkeit winkt dem Ich zu, ihre Weisheit überwindet ihn, während ihre Stärke ihn fesselt.

Inhalt

Die Liebe ist kompliziert und so auch die Minnewerbung: Bei Burkhard von Hohenfels geht es in einem allegorischen Minnelied, das zeichenhaft verstanden werden muss, um das Erringen der Dame in Form einer Jagd: So nehmen Verstand, Gedanken und Wille des Ichs die Fährte auf. Ziel der Jagd ist ein Wild, das das Herz des Ichs selbst verspottet. Mehrfach hinterfragt das Ich, wie er mit der Klugheit eines Fuchses (fuhses kündekeit) das Wild erlegen könne. Strophe für Strophe wird der zeichenhafte Inhalt der Minnewerbung entfaltet. In der letzten Strophe wird die Personifikation Frau Minne eingeführt, die viele wilde Schläge (vil wilden strich) vollführt.

Und sonst?

Abstrakte innere Prozesse werden nach außen projiziert, um sie zu veranschaulichen: Schon mal darüber nachgedacht, wie ein personifizierter Verstand aussehen könnte? Oder ein personifizierter Gedanke? Und was diese für Handlungen vollführen könnten? Da liegt die Jagd als Topos vielleicht nur bedingt nahe, insbesondere wenn das Erlegen, also das Töten des Wilds, die Konsequenz wäre.

T. Brück, J. Schels, V. Weisgerber

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