Schon immer kam Herrscher:innen eine Vorbildfunktion zu.
Mit Hilfe von Bildern konnte die Vorbildfunktion zudem über den Tod der Herrschenden hinaus erhalten werden. Darum geht es auch in dieser Darstellung Roberts von Anjou. Die Buchmalerei präsentiert den König von Neapel umringt von Personifikationen der ihm zugesprochenen positiven Eigenschaften: er ist tugendhaft, gelehrt und seine Entscheidungen sind vernunftgeprägt. Sein vorzüglicher Charakter sollte dem jungen Erstbesitzer der Bibel, Andreas von Ungarn, als moralisches Vorbild dienen.
In guter Gesellschaft
Robert von Anjou ist thronend mit Reichsapfel und Zepter als Herrscher dargestellt. Umgeben ist er von acht Tugenden. Vier sind die Kardinaltugenden, Iusticia (Gerechtigkeit), Fortitudo (Tapferkeit, die nicht personifiziert, sondern durch die Figur des Herkules verkörpert wird), Prudencia (Klugheit) und Temperancia (Mäßigung). Sie spannen einen Baldachin über Robert und zeichnen ihn so einerseits in seiner Königswürde aus und sind andererseits dadurch auch selbst hervorgehoben. Hinter ihnen stehen Curtisia (Höflichkeit), Puritas (Reinheit), Discrecio (Besonnenheit) und Lialta (Loyalität, die ebenfalls von einer männlichen Figur verkörpert wird). Unter dem Thron und den Figuren stürzen hingegen sieben personifizierte Laster mit dem Teufel in den Abgrund. Die Tugenden, die über die Laster siegen, sind als Stützen königlicher Herrschaft aufzufassen. Sie veranschaulichen jene Qualitäten, die ein weiser und gerechter Herrscher vorweisen muss. Dank verschiedener Quellen aus dem Umfeld des Hofs von Anjou wissen wir, dass Robert von Anjou als belesen, politisch und theologisch versiert und als tugendhaft galt. Die Personifikationen helfen dabei, genau dieses Bild des weisen und guten Herrschers zu festigen. Die Auswahl der ihm zur Seite gestellten Tugenden ist auffällig, da sie keiner der bekannten Tugend- und Laster-Reihen entspricht, also individuell auf Robert zugeschnitten wurde.