Shoppingmalls der Antike

Leptis Magna Shopping Mall Mashup

Abbildung generiert mit Midjourney V4,
05.12.2022.

Schön funktional?

Wie hängen formale Gestaltung und Funktion in der antiken Architektur zusammen? Was haben antike Wirtschaftsbauten mit den heutigen Shoppingmalls gemeinsam?

Forum Pompeji

Die Freifläche des Forums ist eine rechteckige Anlage. Vor allem in der vorrömischen Zeit wird dieser Platz als Markt gedient haben.

Marktplatz

In der Antike findet Wirtschaft oft auf dem Marktplatz, lateinisch forum, statt, ein zentraler Ort in der Stadt. An ihm liegen wichtige öffentliche Gebäude mit verschiedenster Funktion, zum Beispiel wirtschaftlich oder religiös. Nicht nur diese Gebäude, sondern auch die Platzfläche an sich ist deswegen häufig besonders gestaltet, beispielsweise durch eine Pflasterung, die den Besuchenden sowohl mehr Komfort bietet als auch die Fläche optisch aufwertet.

Pflasterung Forum Butrint

ab 27 v. Chr.
Butrint, Albanien, Forum
72 m × 20 m
Pflasterung mit einheitlichen Kalksteinplatten

Pflasterung Forum Butrint (Detail)

Märkte für Lebensmittel

In antiken Städten sind Märkte für Lebensmittel häufig am Forum oder an den Hauptstraßen zu finden.

Neben Marktständen gibt es auch eigens errichtete Gebäude für den Verkauf von z.B. Fisch und Fleisch. Antike Schriftsteller berichten davon, dass auf diesen Märkten delikate und teure Fisch- und Fleischsorten angeboten werden.

venio ad macellum, rogito pisces:
indicant caros; agninam caram,
caram bubulam, vitulinam, cetum,
porcinam: cara omnia.
Zum Markt geh ich, frage da nach Fischen;
die sind teuer, heißt es: teures Hammelfleisch,
Rindfleisch, genauso teures Kalbfleisch, Meeresfische,
Schweinefleisch: entsetzlich teuer alles!
Plautus, Aulularia, 373–376.
Eigene Übersetzung

Rekonstruktion des Macellum


9–8 v. Chr., renoviert im 2. Jh. n. Chr.

Leptis Magna, Libyen, am Cardo Maximus

55,4 m × 50 m

Dieses Marktgebäude, lateinisch macellum, ist ein großes öffentliches Gebäude, das, passend zu den angebotenen Waren, reich ausgestattet ist. Es besteht aus einem von Säulen umstellten Hof, in dessen Mitte häufig ein, manchmal auch zwei Rundbauten stehen. Diese können z.B. als Brunnen dienen, in denen Fisch geputzt wird.

Die Händler können ihre Waren entweder in kleinen Shops anbieten oder sie auf Verkaufstischen präsentieren, die zwischen den Säulen aufgestellt sind. Auch diese Tische sind sorgfältig gestaltet und u.a. mit Meerestieren verziert, die auf die verkauften Waren im Macellum hinweisen.

Ruinen des Macellum

Das Macellum in Leptis Magna hat sich sehr gut erhalten und konnte zu großen Teilen wieder aufgebaut werden, sodass man heute einen Eindruck von der ursprünglichen Gestaltung des Komplexes gewinnt.

Rundbauten

Zentrale Rundbauten, oft mit Wasserbecken versehen, waren im Macellum im Hof positioniert. Die Fassaden der Rundbauten wurden durch verschiedene Architekturornamentik gestaltet, wie zum Beispiel angedeutete Säulen und ihre Kapitelle.

Verkaufstische mit figürlichen Motiven

Verkaufstische wurden mit Tischbeinen in Form von Fischen gestaltet und zwischen den Säulen der Portikus aufgestellt.

Warenhäuser

Auch Warenhäuser, lateinisch horrea, besitzen Gestaltungselemente, die über den rein praktischen Nutzen hinausgehen. Die Horrea Epagathiana et Epaphroditiana in Ostia (Italien) dienen dem Großhandel.

Horrea Epagathiana et Epaphroditiana

145–150 n. Chr.

Ostia (Reg. I, VIII), Italien

In Lagerräumen um einen Innenhof werden Waren verschiedener Art gelagert und in Läden an der Straßenseite verkauft. Gleichzeitig kann in dem großen, mehrgeschossigen Bau von den Besitzern Kundschaft wie zum Beispiel Zwischenhändler empfangen werden. Auf die Lagerung von wertvollen Waren, möglicherweise Luxusgütern, deuten Verriegelungssysteme der Durchgänge durch Gitter zur Diebstahlprävention hin.

Eine Inschrift am reich gestalteten Eingangsportal mit Halbsäulen und Giebel kennzeichnet das Gebäude schon an der Straßenseite und ist durch den weißen Marmor von der Ziegelfassade abgehoben. Wer das Gebäude aufsuchen will oder einfach nur vorbeigeht (und lesen kann), erfährt, welchem Zweck der Bau dient und dass die Händler Epagathus und Epaphroditus das Lagerhaus besitzen.

Eingangsportal

Das Portal des Horreums wird von Säulen umrahmt, die einen kleinen Giebel tragen. Dadurch tritt es plastisch aus der Fassade hervor und betont die Eingangssituation.

Inschrift

Direkt über dem Eingang nennt eine Inschrift die beiden Besitzer des Lagerhauses: Epagathus und Epaphroditus.

Vom Gebäudeeingang aus ist gleich ein Teil des Mosaikbodens im zentralen Innenhof sichtbar. Das schwarz-weiße Fußbodenmosaik mit geometrischen Mäandern und exotischen Tieren wertet das Gebäude auf und erinnert an exklusive Güter der gehobenen Gesellschaftsschicht. So steigert es die Lust auf die angebotenen Luxuswaren: möglicherweise eine geschickte Verkaufsstrategie, die direkt auf den Konsum anspielt. Der abgebildete Panther lockt in den Hof hinein, wo eine facettenreiche Ausstattung die vielseitigen Funktionen des Gebäudes herausstellt.

Bodenmosaik im Innenhof

145–150 n. Chr.

B. 10–5,70 m

Detail Bodenmosaik

Vor einem Zugang zum Hof bildet das Bodenmosaik einen Tiger im Sprung ab.

Im Hof befindet sich eine große, zentrale Nische, die von zwei kleinen, ornamentierten Nischen gerahmt wird, welche einst Götterfiguren enthielten. Auch in der großen Nische hat möglicherweise eine Statue gestanden, z. B. ein Standbild der Heilgottheiten Asklepios oder Telesphoros. Solche Standbilder wurden im Gebäude gefunden. Als Teil eines religiösen Kultes können jene schützenden Götter die Geschäfte begleitet haben.

Religiöse Bauten

Neben Wirtschaftsgebäuden befinden sich am Forum auch religiöse Bauten wie Tempel. Ein gelegentlich für religiöse Architekturen verwendetes Gestaltungselement findet sich am Tempel des Mars Ultor, des rächenden Kriegsgottes Mars, im Zentrum Roms.

Mars-Ultor-Tempel

Augustusforum, Rom, Italien
2 v. Chr. eingeweiht

Im Innenraum sind Figuralkapitelle angebracht, die an ihren Ecken das geflügelte Pferd Pegasus zeigen. Im Dienst der Statik stützen die Figuren die darüber liegenden Teile der Architektur mit ihren Mähnen. Durch ihre figürlichen Elemente können derartige Kapitelle zusätzliche Bedeutung transportieren: So wird die Religiosität des Tempels durch die mythologischen Figuren noch gesteigert.

Figuralkapitell

1. Hälfte 2. Jh. n. Chr.
Innenraum des Tempels
Höhe ca. 85 cm

Wirtschaftliche Bauten

Figürliche Kapitelle als besonderes Gestaltungsmerkmal werden jedoch nicht nur für religiöse Gebäude wie Tempel verwendet, sondern finden sich auch bei anderen Gebäuden wie etwa Basiliken, die unter anderem wirtschaftlich genutzt werden. Solche Hallenbauten sind ebenfalls häufig am Forum zu finden.

Basilika am Staatsmarkt

11–14 n. Chr.
 Ephesus, Türkei, Regierungsviertel

164,70 m × 20 m

Der sehr lange Bau ist im Inneren durch Säulenstellungen in drei Schiffe gegliedert. Die zahlreichen Säulen sind jeweils mit einem Stierkopfkapitell abgeschlossen. Dies dient nicht nur der Statik, indem durch die Stierköpfe die Auflagefläche der Deckenkonstruktion verstärkt ist, zudem erweist sich die figürliche Lösung des statischen Problems als bewusste Gestaltung: Stierköpfe werden in der antiken Architektur häufig verwendet, meistens an religiösen Gebäuden, da der Stier ein beliebtes Opfertier ist.

Durch die große Anzahl der Stierkopfkapitelle ist der Innenraum der Basilika zum einen als religiöser Ort, wahrscheinlich für die kultische Verehrung des römischen Kaisers, gekennzeichnet. Zum anderen werden damit auch andere Tätigkeiten, die in dem Gebäude stattfanden, aufgewertet.

Stierkopfkapitell

Kapitell der ionischen Ordnung
Marmor
Verwendung im Innenraum der Basilika

Diese Beispiele zeigen, dass ästhetische Gestaltung von Wirtschaftsarchitektur keine Erfindung der Moderne ist, sondern sich bereits in der Antike nachweisen lässt. So lassen sich antike Shoppingmalls deutlich von anderen Gebäudetypen abgrenzen – sie bieten in ihrer Ästhetik eine besondere Atmosphäre und soziale Treffpunkte. Damit vereinen sie verschiedene Funktionen in einem Gebäude und erhöhen den bloßen Einkaufsbesuch somit zu einem alle Sinne anregenden Erlebnis.

Anna Sophie Ruhland, Linda Stoeßel

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